Wenn Sie Ihr Kind erziehen, denken Sie wahrscheinlich nicht unbedingt an die Rente im Alter. Dennoch empfiehlt sich dringend, dass Sie bereits frühzeitig Ihre Rentenversicherung in Ihre Altersvorsorge einbeziehen. Vor allem, wenn Sie sich die Elternzeit mit Ihrem Ehepartner teilen und beide Elterngeld beziehen, werden die Kindererziehungszeiten nicht ohne weiteres gleichermaßen bei der Rentenversicherung angerechnet. Erfahren Sie hier den Meldeweg, wem welche Zeiten bei gleichgeschlechtlichen Eltern angerechnet werden können und wo die Formulare der DRV online zu finden sind.
Was sind Kindererziehungszeiten?
Kindererziehungszeiten sind rentenversicherungsrechtliche Zeiten der gesetzlichen Versicherung. Sie sind als Pflichtbeitragszeiten rentenbegründend und rentensteigernd. Die Kindererziehungszeit ist der Zeitraum der Erziehung des Kindes in dessen ersten drei Lebensjahren.
Der Zeitraum der Kindererziehungszeiten unterscheidet sich danach, ob das Kind vor 1992 oder danach geboren ist.
- Für Kinder, die vor 1992 geboren wurden, beträgt die Kindererziehungszeit seit 1. Januar 2019 dreißig Monate. Der sich daraus ergebende Rentenanspruch wurde teilweise auch als Mütterrente bezeichnet.
- Die Kindererziehungszeiten für nach 1992 geborene Kinder betragen 36 Monate. Auch erziehende Väter können rentenversicherungsrelevante Kindererziehungszeiten in Anspruch nehmen.
Die Beiträge für Kindererziehungszeiten werden seit Juni 1999 vom Bund in Form einer pauschalen Abgeltung für die Beitragszahlung für Kindererziehungszeiten an die allgemeine Rentenversicherung gezahlt. Dabei werden die Kindererziehungszeiten wie Pflichtbeitragszeiten eines Durchschnittsverdieners bewertet. Dies entspricht einem Entgeltpunkt pro Jahr.
Welcher Elternteil erhält die Kindererziehungszeiten angerechnet?
Bei der Rentenversicherung zählt praktisch jeder Tag, an dem Sie Beiträge an die Versichertengemeinschaft leisten oder versicherungsrelevante Zeiten angerechnet werden. Die Kindererziehungszeit ist eine solche versicherungsrelevante Zeit. Sind Sie in Elternzeit, kann immer nur ein Elternteil zur selben Zeit die Kindererziehungszeit bei der Rentenversicherung in Anspruch nehmen. Derjenige, der das Kind überwiegend erzieht, ist automatisch rentenversichert.
Erziehen Sie Ihr Kind gemeinsam, bestimmt das Gesetz, dass die Kindererziehungszeit bei Heteropaaren der Mutter zugerechnet wird (§ 56 Abs. II SGB VI). Nur die Mutter hat im Regelfall nach der gesetzlichen Regelung Anspruch auf die Kindererziehungszeit. Die Kindererziehungszeit wird also demjenigen Elternteil angerechnet, der das Kind überwiegend erzieht und betreut. Das Gesetz vermutet bei Heteropaaren, dass dies die Mutter ist.
Die Anrechnung von Kindererziehungszeiten ist nur möglich, wenn Sie Ihr Kind in Deutschland erziehen. Im Ausland zurückgelegte Zeiten werden normalerweise nicht berücksichtigt. Stirbt ein Elternteil während der Kindererziehungszeit, geht der Rest dieser Zeit auf den überlebenden Elternteil über.
GUT ZU WISSEN
Erziehungszeiten selbstständig beantragen
Sie müssen die Erziehungszeiten bei der Deutschen Rentenversicherung selbst beantragen. Sie zählen andernfalls nicht als rentenversicherungspflichtige Zeiten. Grund ist, dass die Rentenversicherung nicht unbedingt Kenntnis davon hat, ob Sie Ihren Beruf aufgeben und Ihr Kind erziehen. Sollten Sie Schwierigkeiten haben, die zehn Seiten des Antrags auf Feststellung von Kindererziehungszeiten sachgerecht auszufüllen, sollten Sie eine Beratungsstelle der Deutschen Rentenversicherung in Anspruch nehmen.
Wie profitiert auch der andere Elternteil von der Kindererziehungszeit?
Soll auch der Vater von der Kindererziehungszeit profitieren, müssen Mutter und Vater gegenüber der Rentenversicherung gemeinsam eine übereinstimmende Erklärung (über diesen Vordruck) abgeben.
Solange Sie keine übereinstimmende Erklärung abgeben, wird die Erziehungszeit bei Heteropaaren der Mutter zugeordnet. Sofern Sie die übereinstimmende Erklärung abgeben, kommt es nicht darauf an, welcher Elternteil das Kind wirklich erzieht. Entscheidend ist allein Ihre Erklärung.
Wie lange kann man Kindererziehungszeiten melden?
Möchte sich der Ehepartner Kindererziehungszeiten bei der Rentenversicherung anrechnen lassen und dazu die übereinstimmende Erklärung mit Ihrem Ehepartner abgeben, gilt die Erklärung immer nur für die Zukunft und maximal für zwei Monate rückwirkend.
Sofern Sie die Beratung einer Beratungsstelle der Deutschen Rentenversicherung in Anspruch nehmen, sollten Sie die meist überlangen Wartezeiten berücksichtigen. Möchten Sie wegen der Frist Nachteile vermeiden, kann sich empfehlen, dass Sie anwaltliche Beratung in Anspruch nehmen.
EXPERTENTIPP
Versicherungszeit einem Elternteil voll zurechnen
Zugleich sollten Sie sich überlegen, ob es wirklich sinnvoll ist, die durch die Kindererziehung erreichten Rentenversicherungszeiten wirklich aufzuteilen. Möglicherweise ist es besser, auf die Aufteilung zu verzichten und die Ansprüche einem Elternteil, sei es Vater oder Mutter, zuzuschreiben. Diese Option könnte sich soweit auswirken, als Sie dadurch höhere Rentenanwartschaften erwerben, als wenn Sie die Erziehungszeiten aufteilen. Sollte es zu einer Scheidung oder Aufhebung der Lebenspartnerschaft kommen, besteht kein Nachteil, da der Ehepartner, der verzichtet hat, über den Versorgungsausgleich an den Rentenanwartschaften des anderen beteiligt ist.
Wer kann sich außer den Eltern Kindererziehungszeit anrechnen lassen?
Nicht nur die leiblichen Eltern können die Kindererziehungszeit erhalten. Kindererziehungszeiten bei der Rentenversicherung können sich auch
- Adoptiveltern,
- Stiefeltern und Pflegeeltern,
- Großeltern
- sowie Verwandte, mit denen das Kind dauerhaft in häuslicher Gemeinschaft als Pflegekind wohnt,
anrechnen lassen. Allerdings darf dann zwischen den leiblichen Eltern und dem Kind kein Obhuts- und Erziehungsverhältnis mehr bestehen.
Wer kann sich keine Kindererziehungszeit anrechnen lassen?
Keine Anrechnung von Kindererziehungszeiten kommt bei Personen in Betracht, die
- während der Erziehung die Regelaltersgrenze erreicht haben und eine Altersrente oder eine Versorgung aus einem anderen Versorgungssystem beziehen sowie
- Personen, die nie gesetzlich rentenversichert waren.
Kindererziehungszeit bei gleichgeschlechtlichen Eltern
Lebt das Kind bei gleichgeschlechtlichen Eltern, erhält vorrangig der leibliche Elternteil die Kindererziehungszeit in der Rentensicherung angerechnet. Der Lebenspartner kommt für die Anrechnung der Kindererziehungszeit erst in Betracht, wenn er/sie das Kind adoptiert hat.
Ist keiner der gleichgeschlechtlichen Partner der leibliche Elternteil, werden die Kindererziehungszeiten demjenigen Elternteil zugerechnet, der die Elternstellung zuerst erlangt hat. Dies ist bei der sukzessiven Adoption derjenige, der das Kind zuerst adoptiert hat.
Wie viele Rentenjahre werden pro Kind angerechnet?
Auch hier unterteilt sich die Regelung wieder in vor und nach 1992:
- Ist Ihr Kind vor 1992geboren, werden Ihnen pro Kind bis zu zwei Jahre und sechs Monate (30 Monate) als Kindererziehungszeiten bei der Rentenversicherung gutgeschrieben („Mütterrente“).
- Ist das Kind nach 1992 geboren, beträgt die Gutschrift bis zu drei Jahre (36 Monate) pro Kind. Die Erziehungszeit beginnt mit dem Kalendermonat nach der Geburt des Kindes.
Kindererziehungszeiten sind Pflichtbeiträge. Diese wirken sich direkt auf der Höhe Ihrer späteren Rente aus. Für die Zeit, in der Sie Ihr Kind erziehen, werden Sie so gestellt, als hätten Sie Beiträge nach Maßgabe des durchschnittlichen Verdienstes aller Versicherten in der Rentenversicherung gezahlt.
Pro Kind bekommen Sie drei Rentenpunkte angerechnet. Sie werden damit so gestellt, als hätten Sie drei Jahre durchschnittlich verdient. Umgerechnet bringt ein Jahr Kindererziehungszeit etwa 30 EUR Rente im Monat.
Erziehen Sie Zwillinge oder Drillinge oder bekommen während der Erziehungszeit des ersten Kindes ein weiteres Kind, können mehrere Kindererziehungszeiten anerkannt werden. Insgesamt kommen maximal zehn Jahre Kindererziehungszeiten in Betracht.
Praxisbeispiel
Erziehungszeiten bei mehreren Kindern
Ihr Kind 1 wurde am 5. März 2014 geboren. Am 10. April 2016 kam Ihr zweites Kind zur Welt. Sie haben bis 2016 = 25 Monate Elternzeit in Anspruch genommen und Elterngeld bezogen. Ab Mai 2016 werden deshalb noch weitere 47 Monate Erziehungszeit (36 Monate für das zweite Kind plus die noch verbliebenen neun Monate vom ersten Kind) geschrieben. Insgesamt werden Ihnen somit 72 Monate Kindererziehungszeit angerechnet.
Unterschied zwischen Kindererziehungs- und Kinderberücksichtigungszeiten
Die Kindererziehungszeit ist das eine. Darüber hinaus können Sie auch sogenannte Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung erhalten. Auch diese Zeiten beeinflussen Ihre Rente positiv.
Während die Kindererziehungszeit direkte Auswirkungen auf die Höhe Ihrer Rente hat, ist die Berücksichtigungszeit bei der Mindestversicherungszeit (Wartezeit) zu berücksichtigen. Möchten Sie später Rente beziehen, müssen Sie wenigstens fünf Jahre Rentenversicherungszeiten nachweisen (Mindestversicherungszeit, Wartezeit). Berücksichtigungszeiten sind zudem bedeutsam für den Invaliditätsschutz sowie zur Bewertung von Anrechnungszeiten.
EXPERTENTIPP
Bei Minijob während Elternzeit Abgaben sparen
Üben Sie in Ihrer Elternzeit einen Minijob aus, besteht Versicherungspflicht in der Rentenversicherung. Von Ihrem Einkommen werden 3,6 % direkt an die gesetzliche Rentenversicherung abgeführt. Der Arbeitgeber übernimmt den gleichen Anteil.
Allerdings können Sie sich von der Beziehungspflicht befreien lassen. Sie sparen dann 3,6 %, die Ihnen vom Lohn abgezogen werden. Eine Befreiung kann soweit nachteilig sein, als diese nicht mehr rückgängig gemacht werden kann, wenn Sie auch nach der Elternzeit in einem Minijob arbeiten wollen. Grund ist, dass Sie als Minijobber Pflichtbeitragszeiten in der Rentenversicherung erwerben, die sich auf die Mindestversicherungszeit (Wartezeit) auswirken können.
Alles in allem
Ihre Entscheidung, Elternzeit zu nehmen und in dieser Zeit von Elterngeld zu leben, wirkt sich nicht nachteilig auf Ihre Rentenversicherung aus, z.B. bei einer Aufhebung der Lebenspartnerschaft im Versorgungsausgleich. Um trotzdem Risiken zu vermeiden, sollten Sie sich informieren, was Sie dazu wissen sollten. Gegebenenfalls nehmen Sie die Rentenberatung der Deutschen Rentenversicherung in Anspruch oder lassen sich bei langen Wartezeiten anwaltlich beraten.