Krankenkasse übernimmt keine Kosten für künstliche Befruchtung bei gleichgeschlechtlichen Paaren

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Dienstag, 18.01.2022 , geschrieben von iurFRIEND-Redaktion

Viele gleichgeschlechtliche Paare sind bei Kinderwunsch auf eine künstliche Befruchtung angewiesen. Das Bundessozialgericht hat diesbezüglich entschieden, dass die Krankenkasse die Kosten dafür nicht übernimmt. (Bundessozialgericht, Urteil vom 10.11.2021, Az. B 1 KR 7/21). Grund dafür ist, dass der rechtliche Anknüpfungspunkt für den Anspruch die krankheitsbedingte Zeugungsunfähigkeit ist und nur Ei- sowie Samenzellen des Ehepaares benutzt werden dürfen. Dafür reicht die biologische Hürde bei gleichgeschlechtlichen Paaren nicht aus. Was bedeutet diese Entscheidung im Detail?

Wann bezahlen Krankenkassen eine künstliche Befruchtung?

Es gehört zum Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkassen, eine künstliche Befruchtung mitzufinanzieren (§ 27a Abs. I Nr. 4 SGB V). Die Kostenübernahme erfolgt in jedem Fall zur Hälfte (§ 27a Abs. III Nr. 3 SGB V). Eine Reihe von Krankenkassen haben diese Kostenbeteiligung erheblich erhöht und tragen teilweise die Kosten bis zu 100 %. Weitere Details ergeben sich aus den Richtlinien über künstliche Befruchtung des gemeinsamen Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen.

Die Kostenübernahme erfolgt unter folgenden Voraussetzungen:

  • Sie müssen mit Ihrem Partner oder Ihrer Partnerin verheiratet sein. Eine gleichgeschlechtliche Ehe erfüllt diese Voraussetzung.
  • Zur Befruchtung dürfen nur Ei- und Samenzellen der Ehepartner verwendet werden. Als gleichgeschlechtliches Paar werden Sie genau diese Voraussetzung nicht erfüllen können. Die Problematik ist Gegenstand der zuvor besprochenen Entscheidung des Bundessozialgerichts.
  • Das Erstberatungsgespräch, die Diagnostik und die Kinderwunschbehandlung ohne Maßnahmen einer künstlichen Befruchtung werden regelmäßig zu 100 % von den gesetzlichen Krankenkassen übernommen. Dies gilt unabhängig von Ihrem Alter und Ihrem Ehestatus.
  • Es muss nach ärztlicher Feststellung hinreichende Aussicht bestehen, dass durch die künstliche Befruchtungsmaßnahme eine Schwangerschaft herbeigeführt werden kann. Eine solche hinreichende Aussicht besteht nicht mehr, wenn die Maßnahme dreimal erfolglos durchgeführt wurde.
  • Eine künstliche Befruchtung kommt nur in Betracht, wenn beide Partner mindestens 25 Jahre alt sind. Die Frau muss jedoch jünger als 40 Jahre sein, der Mann jünger als 50 Jahre.
  • Beide Partner müssen einen negativen HIV-Test vorlegen. Außerdem muss die Frau über einen umfassenden Impfschutz verfügen, der insbesondere die Impfungen gegen Röteln, Windpocken und Keuchhusten umfasst.
  • Vor Beginn der Maßnahme ist der Krankenkasse ein Behandlungsplan vorzulegen, der von der Kasse genehmigt werden muss. Die Kosten für die Untersuchung der Gründe der Unfruchtbarkeit werden dabei vollständig übernommen. Auch Hormonbehandlungen werden bezahlt. Erst bei der eigentlichen künstlichen Befruchtung gelten dann Einschränkungen.
  • Erfolgt die künstliche Befruchtung im Wege der „In-Vitro- Befruchtung“, bezahlen die Krankenkasse drei Versuche.
  • Die Krankenkassen bezahlen acht Inseminationen ohne Hormonstimulation und drei Inseminationen mit vorheriger Hormonbehandlung.
  • Sind beide Eheleute bei der gleichen gesetzlichen Krankenkasse versichert, leisten einige Krankenkassen einen Zuschuss und zwar zusätzlich zur eigentlichen Kostenübernahme.

Einfrieren von Ei- oder Samenzellen

GUT ZU WISSEN

Einfrieren von Ei- oder Samenzellen

Die Krankenkassen bezahlen nicht das Einfrieren von Ei- oder Samenzellen. Auch das Einfrieren von imprägnierten Eizellen, in die das Spermium bereits eingedrungen ist, wird nicht finanziert.

Künstliche Befruchtung nur für Ehepaare bei krankheitsbedingten Ursachen

Das Bundesverfassungsgericht hat dazu auch ausdrücklich klargestellt, dass es mit dem Grundgesetz vereinbar sei, Leistungen medizinischer Maßnahmen zur Herbeiführung einer Schwangerschaft durch die gesetzlichen Krankenversicherungen auf Personen zu beschränken, die miteinander verheiratet sind (BVerfGE vom 28.2.07, 1 BvL 5/03). Selbst wenn Sie als gleichgeschlechtliches Paar miteinander verheiratet sind, scheitert die Kostenübernahme der gesetzlichen Krankenkasse daran, dass eben ausschließlich Ei- und Samenzellen von Ehepartnern verwendet werden dürfen.

Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts beruht mithin auf der gesetzlichen Regelung im Krankenversicherungsrecht des Sozialgesetzbuches. Gesetzliche Krankenkassen sind verpflichtet, die Krankenbehandlung ihrer Mitglieder zu bezahlen, wenn diese notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern (§ 27 Abs. I Nr. 4 SGB V). Die Finanzierung erfolgt also nur bei krankheitsbedingten Ursachen. Allein die ungewollte Kinderlosigkeit des Paares reicht nicht aus. Es kommt darauf an, ob gerade bei dem versicherten Partner eine „Krankheit“ im Sinne des Krankenversicherungsrechts vorliegt.

  • Dies bedeutet, dass der Versicherungsfall von einer grundsätzlich bestehenden Zeugungsfähigkeit des Ehepaares ausgeht, die durch die Leistungen der gesetzlichen Krankenkasse unterstützt werden soll.
  • Die Regelung erkennt als soziale Komponente aber auch die Erfüllung des Kinderwunsches als Behandlungsziel an, beschränkt die Behandlung aber auf den Kinderwunsch innerhalb einer bestehenden Ehe (§ 27a Abs. I Nr. 4 SGB V).
  • Nicht die Kinderlosigkeit des Paares an sich löst den Versicherungsfall aus, sondern die auf körperlichen Ursachen beruhende Unfähigkeit des versicherten Partners, auf natürlichem Wege Kinder zu zeugen.
  • Soweit ein gleichgeschlechtliches Paar statt der bloßen Überwindung einer krankheitsähnlichen Situation die Kompensation einer in dieser Form nicht bestehenden Zeugungsfähigkeit im Wege der heterologen Insemination für seine Regenbogenfamilie einfordert, fehle es genau an dieser Voraussetzung einer krankheitsähnlichen Situation.

Kostenübernahme bei privater Versicherung

GUT ZU WISSEN

Kostenübernahme bei privater Versicherung

Sind Sie privat versichert, ist die Frage der Kostenübernahme durch die private Krankenversicherung rechtlich noch nicht abschließend geklärt. Viele Gerichte gehen davon aus, dass eine Ehe nicht unbedingt Voraussetzung für die Kostenübernahme ist und auch unverheirateten Paaren Leistungsansprüche gegenüber der privaten Krankenversicherung zustehen.

Voraussetzung für eine Kostenübernahme oder Kostenbeteiligung ist aber auch hier, dass eine organische Ursache für die Unfruchtbarkeit vorliegt. Lässt sich diese nicht feststellen, sind die Kassen nicht verpflichtet, die Kosten für eine Behandlung zu übernehmen.

Welche alternativen Finanzierungshilfen gibt es?

Reicht wegen des Eigenanteils bei der Kinderwunschbehandlung die Kostenbeteiligung der gesetzlichen Kasse nicht aus, könnte die Initiative „Hilfe und Unterstützung bei ungewollter Kinderlosigkeit“ helfen. Ziel dieser Initiative von Bund und Ländern ist es, ungewollt kinderlosen Paaren eine ergänzende finanzielle Unterstützung zu ermöglichen.

Aus Bundesmitteln werden maximal 25 Prozent der Summe bestritten, die nach der Kostenübernahme der Krankenkasse noch zu zahlen übrigbleibt. Voraussetzung ist aber, dass sich auch das jeweilige Bundesland in mindestens gleicher Höhe an den Kosten beteiligt. Das trifft derzeit lediglich auf

  • Berlin,
  • Brandenburg,
  • Hessen,
  • Mecklenburg-Vorpommern,
  • Niedersachsen,
  • Nordrhein-Westfalen,
  • Sachsen,
  • Sachsen-Anhalt
  • und Thüringen zu.

Alles in allem

Auch wenn kein Anspruch auf Kostenübernahme für eine künstliche Befruchtung besteht, haben Sie Chancen, sich den Kinderwunsch zu erfüllen. Vielleicht können Sie die Behandlung mit Hilfe von Freunden und Familie finanzieren oder Sie entscheiden sich für einen ganz anderen Weg. Kommt für Sie eine (Sukzessiv-)Adoption in Frage, vollenden Sie nicht nur Ihr familiäres Glück, sondern schenken einem Kind ein neues Zuhause.

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