Die gesetzliche Regelung von Mutter- und Vaterschaft erfasst nicht alle Familienmodelle. So ist es etwa für lesbische Paare problematisch, dass nicht beide Frauen von Anfang an als rechtliche Elternteile angesehen werden. In der Politik gibt es immer wieder Reformanstöße für die Regelung des Abstammungsrechts, die bislang erfolglos waren. Ende 2020 gab es einen Gesetzesentwurf des Bundesjustizministeriums, in dem die Mutterschaft neu definiert werden soll. 2021 wird der Berliner Senat eine Bundesratsinitiative einbringen. Zudem haben im März 2021 zwei Gerichte entsprechende Fälle dem Bundesverfassungsgericht vorgelegt.
Wie ist die bisherige Rechtslage?
Ausgangspunkt der Diskussion ist § 1591 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB). In Absatz 1 ist die rechtliche Mutter als die Frau definiert, die das Kind geboren hat. Für zwei verheiratete Frauen bedeutet das: Die Frau, die das Kind zur Welt bringt, ist rechtliche Mutter. Die andere Frau nicht. Sie muss das Kind erst im Wege der Stiefkindadoption adoptieren, um auch rechtlich Elternteil des Kindes zu werden.
Ist jedoch ein Mann mit einer Frau verheiratet, ist dieser rechtlich automatisch Vater des Kindes, wenn er zum Zeitpunkt der Geburt mit der Mutter verheiratet ist. Hierbei kommt es übrigens nicht darauf an, ob er auch der biologische Vater des Kindes ist. Bei einem unverheirateten Paar kann der Mann die Vaterschaft anerkennen und so die Stellung als rechtlicher Vater erlangen. Diese Option wird Frauen in einer gleichgeschlechtlichen Beziehung bislang ebenfalls verwehrt.
Was sieht die Gesetzesänderung vor?
Nach einem Gesetzesentwurf des Bundesjustizministeriums von August 2020 soll das Abstammungsrecht erweitert werden. So soll die Mutter auch die Frau sein, die zum Zeitpunkt der Geburt mit der Mutter nach Absatz 1 des § 1591 BGB verheiratet ist, oder die Frau, die die Mutterschaft anerkannt hat. Mit dieser Regelung würden lesbische Paare in der Elternschaft gleichgestellt werden. Das gilt sowohl für verheiratete als auch für unverheiratete Paare.
Hervorzuheben ist ferner, dass weiterhin an dem Prinzip von zwei Elternteilen festgehalten werden soll. Ein Kind soll also nicht mehr als zwei rechtliche Elternteile haben. Wird das Kind der beiden Frauen also mit Hilfe einer Samenspende gezeugt, kann der Mann nicht dritter Elternteil werden oder die Frau, die das Kind nicht geboren hat, mit seiner biologischen Vaterschaft verdrängen.
Eine Regelung, die die rechtliche Vaterschaft für homosexuelle Männer klärt, enthält der Gesetzesentwurf übrigens nicht. Möchten zwei Männer sich den Wunsch eines Kindes erfüllen, ist dies oftmals mit der in Deutschland untersagten Leihmutterschaft verbunden. Dies birgt entsprechend weitere rechtliche Probleme.
Was würde die Gesetzesänderung für Familien mit zwei Müttern bedeuten?
Kommt es tatsächlich zur Änderung des Abstammungsrechts, könnten zwei Frauen ohne Adoptionsverfahren von Anfang an rechtlich Mutter des Kindes sein. Die Reform wäre ein weiterer Schritt Richtung Gleichbehandlung gleichgeschlechtlicher Paare, seitdem die Ehe für alle im Jahr 2017 eingeführt wurde.
Mit der Eigenschaft als rechtliche Mutter, hätten die beiden Mütter das gemeinsame Sorgerecht für das Kind. Es wird eine rechtliche Verwandtschaft hergestellt, die alle Rechte und Pflichten trägt, die das Gesetz vorsieht. Das Kind hätte ebenfalls ein gesetzliches Erbrecht und wäre auch ohne Erstellung eines entsprechenden Testaments Erbe von beiden Müttern.
Im Falle der Trennung und Scheidung hätten beide Mütter weiterhin das gemeinsame Sorgerecht. Die Mutter, die das Kind dann nicht betreut, wäre zur Zahlung von Kindesunterhalt verpflichtet und hätte ein Recht auf Umgang mit dem Kind.
Update 02.04.2021: Bundesratsinitiative und Bundesverfassungsgericht
Laut Medienberichten liegt der Reformplan aus dem Justizministerium derzeit auf Eis. Es konnte keine Einigung zwischen den einzelnen Ministerien erzielt werden. Das Vorhaben solle daher in der nächsten Legislaturperiode angegangen werden, heißt es aus dem Justizministerium.
Dennoch kommt auch aktuell wieder Bewegung in das Thema: Am 16. März hat der Berliner Senat beschlossen, einen Entschließungsantrag zur Reform des Abstammungsrechts in den Bundesrat einzubringen. Die Pläne sollen nicht nur die Ungleichbehandlung lesbischer Mütter, sondern auch die von trans- und intergeschlechtlichen Eltern beenden. Zudem will der Berliner Senat den Impuls setzen für eine zukünftige Anerkennung von mehr als zwei Elternteilen.
Inzwischen haben mit dem Kammergericht (KG) Berlin (Beschluss vom 24. März 2021, Az. 3 UF 1122/20) und dem Oberlandesgericht (OLG) Celle (Beschluss vom 24. März 2021, Az. 21 UF 146/20) bereits zwei Zivilgerichte die Frage des Abstammungsrechts dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG) vorgelegt. Beide Gerichte halten die aktuelle Regelung für verfassungswidrig. Das KG Berlin, weil in Fällen, in denen ein Kind mittels einer anonymen Samenspende gezeugt wurde, sowohl das Kind als auch die Ehefrau der Mutter in ihrem Recht auf Gleichbehandlung nach Artikel 3 Absatz 1 Grundgesetz (GG) verletzt seien. Das OLG Celle begründet seinen Vorlagebeschluss damit, dass sowohl das Recht der Ehefrau als auch das des Kindes aus Artikel 6 Absatz 2 Satz 1 GG verletzt seien. Artikel 6 GG gewährleistet sowohl das Recht als auch die Pflicht zu Pflege und Erziehung von Kindern. Beide Gerichte stellen vor allem darauf ab, dass es in Fällen der anonymen Samenspende rechtlich nicht möglich sei, dass der Spender Vater werde. Dann aber müsse die Ehefrau der leiblichen Mutter auch als zweite Mutter anerkannt werden können, so wie es auch dem Ehemann der leiblichen Mutter möglich sei.
Abschließend weist das OLG Celle auch darauf hin, dass sich vergleichbare Fragen auch im Fall einer gleichgeschlechtlichen Ehe von zwei Männern stellen, das hier aber nicht zu entscheiden sei.
Der Beitrag wurde ursprünglich am 8. September 2020 veröffentlicht.