Wandeln Sie Ihre eingetragene Lebenspartnerschaft in eine Ehe um, haben Sie gegenüber Ihrem Arbeitgeber keinen Anspruch auf bezahlten Sonderurlaub. Dies gilt insbesondere dann, wenn Sie bereits bei der Begründung Ihrer Lebenspartnerschaft tariflichen Sonderurlaub erhalten hatten.
Beschluss des LAG Rheinland-Pfalz
Das Landesarbeitsgericht (LAG) Rheinland-Pfalz (Beschluss vom 30.6.2020, Az. 6 Sa 447/19) belehrte eine bei einem Unternehmen der chemischen Industrie angestellte Chemieingenieurin, dass aus Anlass der Umwandlung der eingetragenen Lebenspartnerschaft in eine Ehe kein Anspruch auf Sonderurlaub besteht. Die Gründe sind überzeugend und einleuchtend.
Die Frau hatte bereits die ihr nach dem Tarifvertrag der chemischen Industrie zustehenden zwei freien Tage Sonderurlaub erhalten, als sie mit ihrer gleichgeschlechtlichen Partnerin eine eingetragene Lebenspartnerschaft begründet hatte. Sie war der Meinung, dass ihr bei der Umwandlung der Lebenspartnerschaft in eine Ehe auch jetzt erneut zwei Tage Sonderurlaub zuständen.
Wie begründete das Gericht seine Entscheidung?
Geht es um Sonderurlaub, kommt es immer darauf an, auf welcher rechtlichen Grundlage der Urlaubsanspruch erhoben wird. Im Fall des LAG Rheinland-Pfalz berief sich die Arbeitnehmerin auf den Tarifvertrag MTV Chemie. Dort sind zwei freie Tage vorgesehen, wenn der Arbeitnehmer die Ehe schließt. Der Fall der Verpartnerung ist der Eheschließung gleichgestellt. Aus diesem Grund hatte das Paar bereits zwei freie Tage erhalten.
Da der Tarifvertrag keine Aussage darüber trifft, ob für den Fall der Umwandlung einer eingetragenen Lebenspartnerschaft in eine Ehe erneut Sonderurlaub zu gewähren ist, sah sich das Gericht vor der Aufgabe, den Tarifvertrag auszulegen und zu interpretieren. Dabei ist wie bei der Auslegung von Gesetzestexten zu verfahren. Dazu ist auf den Sinn und Zweck der Norm abzustellen.
Maßgebend war, dass bei der Umwandlung einer bereits bestehenden und eingetragenen Lebenspartnerschaft in eine Ehe keine neue Ehe geschlossen wird. Es findet eben nur eine Umwandlung statt. Die Umwandlung ist rein formeller Natur. Daher war es naheliegend, dass der Tarifvertrag so zu interpretieren war, dass die beiden freien Tage nur gewährt werden, wenn eine Ehe oder eben eine eingetragene Lebenspartnerschaft neu begründet werden. Es wäre aber nicht im Sinne der Tarifparteien, dem gleichen Paar aus dem gleichen Anlass zweimal freie Tage gewähren zu wollen. Insoweit ist die Entscheidung des Gerichts absolut nachvollziehbar.
Wann wird überhaupt Sonderurlaub gewährt?
Ist von Sonderurlaub die Rede, geht es um die Freistellung von der Arbeit unter Fortzahlung des Gehalts. Sonderurlaub ist kein Erholungsurlaub, sondern dient dazu, den Arbeitnehmer in einer besonderen Lebenssituation zu unterstützen. Insoweit ist die „Freistellung“ von der Arbeit die bessere Bezeichnung.
Möchten Sie Sonderurlaub beanspruchen, brauchen Sie eine Rechtsgrundlage. Es kommen folgende Rechtsgrundlagen in Betracht:
- Spezielle gesetzliche Regelung, z.B. § 6 MuSchG: Beschäftigungsverbot der Mutter nach der Entbindung, § 208 SGB IX: Fünf Tage Sonderurlaub bei Schwerbehinderung.
- Individuelle Regelung im Arbeitsvertrag.
- Regelung in einer für Ihren Betrieb geltenden Betriebsvereinbarung.
- Regelung in einem für Ihren Betrieb geltenden Tarifvertrag.
- Wenn keine dieser Regelungen greift, kann § 616 BGB als Auffangnorm eingreifen.
Sie sollten also stufenweise vorgehen und Ihren Anspruch auf Sonderurlaub prüfen.
1. Arbeitsvertrag
Lesen Sie in Ihrem Arbeitsvertrag nach, ob und in welchem Umfang Sie möglicherweise Anspruch auf bezahlten Sonderurlaub haben.
2. Betriebsvereinbarung
Finden Sie im Arbeitsvertrag keine Regelung, prüfen Sie, ob es eine Betriebsvereinbarung gibt, in der Sonderurlaub geregelt ist. Fragen Sie im Zweifel Ihren Betriebsrat, ob es eine Betriebsvereinbarung gibt.
3. Tarifvertrag
Sofern Ihr Arbeitsverhältnis einem Tarifvertrag unterliegt, prüfen Sie, ob der Tarifvertrag den Anspruch auf Sonderurlaub geregelt. Lesen Sie im Zweifel in Ihrem Arbeitsvertrag nach, ob Ihr Arbeitsverhältnis einem Tarifvertrag unterliegt.
Beispiel: § 29 TVöD (Tarifvertrag des öffentlichen Dienstes) regelt, für welche Fälle und für welche Zeiträume Anspruch auf Sonderurlaub bestehen. So wird beispielsweise bei der Geburt eines Kindes ein Arbeitstag oder beim Tod des Ehepartners zwei Arbeitstage Sonderurlaub gewährt. Sonderurlaub für den Fall einer Eheschließung ist nicht vorgesehen. In diesem Fall kann Sie der Arbeitgeber ausnahmsweise in dringenden Fällen nach eigenem Ermessen von der Arbeit freistellen. Ob diese Voraussetzungen für den Fall Ihrer Heirat zutreffen, erscheint zweifelhaft. Ein dringender Fall liegt nämlich nur vor, wenn der in Ihrer Person liegende Grund unverschuldet ist. Da Sie den Hochzeitstermin weitgehend selbst bestimmen können, dürfte es an dieser Voraussetzung fehlen.
Auch in den IG-Metall-Tarifverträgen wird in der Regel ein Tag Sonderurlaub bei der eigenen Hochzeit, ein Tag bei Eheschließung der eigenen Kinder, Geschwister, Eltern oder eines Elternteils vom Arbeitgeber gewährt.
4. Regelung des § 616 BGB
Findet sich auch im Tarifvertrag keine Regelung, kommt die Regelung des § 616 BGB in Betracht. Danach haben Sie Anspruch auf Freistellung von der Arbeit unter Fortzahlung Ihres Gehaltes, wenn Sie für eine verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit durch einen in Ihrer Person liegenden Grund ohne Verschulden an der Dienstleistung verhindert sind. Die Rechtsprechung hat in einer Vielzahl von Einzelfällen festgestellt, unter welchen Voraussetzungen Sonderurlaub in Betracht kommt.
Sofern ein naher Angehöriger verstirbt, lässt sich der Anspruch auf Sonderurlaub im Regelfall leicht begründen. Ob nur ein Tag Sonderurlaub möglich ist, um an der Beerdigung teilzunehmen oder weitere Tage zu gewähren sind, hängt davon ab, in welcher Beziehung Sie zu der verstorbenen Person stehen und ob diese in Ihrem Haushalt gelebt hat oder nicht.
Sofern Sie heiraten, haben Sie im Regelfall Anspruch auf bezahlten Sonderurlaub von einem Arbeitstag. Nach der Rechtsprechung der Arbeitsgerichte gehört die eigene Hochzeit des Arbeitnehmers zu den Gründen, die eine „vorübergehende Verhinderung“ im Sinne des § 616 BGB entschuldigen. Ihre Hochzeitsgäste hingegen haben keinen Anspruch auf bezahlten Urlaub, falls diese selbst in einem Arbeitsverhältnis stehen.
Praxistipp: Haben Sie bei Ihrer Eheschließung noch schulpflichtige Kinder, können Sie beim Klassenlehrer oder bei der Schulleitung beantragen, die Kinder am Tag Ihrer Eheschließung von der Schulpflicht zu befreien. Über Ihren Antrag entscheidet die Schulleitung, nicht der Lehrer.
Alternative: Normaler Urlaub oder unbezahlter Sonderurlaub
Können Sie Ihren Anspruch auf bezahlten Sonderurlaub nicht begründen, bleibt Ihnen nur noch, normalen Erholungsurlaub zu nehmen oder mit Ihrem Arbeitgeber über unbezahlten Sonderurlaub zu verhandeln.
Anspruch auf unbezahlten Sonderurlaub haben Sie allerdings nur, wenn betriebliche und dienstliche Gründe Ihre Freistellung erlauben und der Arbeitgeber Ihrem Wunsch zustimmt. Es liegt weitgehend im Ermessen Ihres Arbeitgebers, ob er Sonderurlaub gewährt oder ablehnt. Im Regelfall werden Sie einen wichtigen Grund benennen müssen.
Der Arbeitgeber hat dann seine dienstlichen oder betrieblichen Interessen gegenüber Ihren Interessen abzuwägen. Je stärker dienstliche oder betriebliche Gründe behauptet werden, desto gewichtiger muss Ihr Wunsch sein, Sonderurlaub zu erhalten. Soweit der Arbeitgeber keine nennenswerten dienstlichen Interessen geltend macht, kann es bereits als wichtiger Grund gelten, wenn Sie unter Berufung auf Ihre persönliche Handlungsfreiheit unbezahlten Sonderurlaub nehmen möchten, um in Ihrem Arbeitsleben eine gewisse Erholungspause einzulegen.
Dabei ist zu berücksichtigen, dass Ihre Versicherungsbeitragspflicht in der Sozialversicherung mit Antritt des unbezahlten Sonderurlaubs endet. Nur die Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung bleiben für längstens einen Monat erhalten. Sie können sich während des Sonderurlaubs sowohl in der gesetzlichen Kranken- als auch in der gesetzlichen Rentenversicherung freiwillig versichern.
Alles in allem
Sonderurlaub ist Ihr gutes Recht. Voraussetzung ist aber, dass Sie dafür eine Rechtsgrundlage geltend machen können. Können Sie dies nicht, liegt es in Ihrem Lebensrisiko, arbeiten zu müssen oder eben auf eigene Kosten Urlaubstage zu investieren.